Mit dem Nachtwächter durch Zürich
08. April 2016
von Hansruedi Häusermann
Am Freitagabend, 08. April 2016, trafen sich 9 FcL-Mitglieder und 7 zugewandte Orte
um 21.15 h auf dem Lindenhof zu einer Runde durch die nächtliche Altstadt Zürichs
mit einem Nachtwächter aus dem Mittelalter. Der fallende Regen tat der guten
Stimmung keinen Abbruch und schon nach den ersten Sätzen des Nachtwächters
fühlte man sich um Jahrhunderte zurück versetzt.
Wir wurden sofort als Leute vom Land erkannt, denn nur Fremde und Unwissende
halten sich nach 21.00 h noch im Freien auf und werden vom Nachtwächter
erwischtWir erhielten klare Anweisungen, wie wir uns zu verhalten hatten. Beim
Rundgang gehen die Männer unmittelbar hinter dem Nachtwächter und die Frauen
folgen lautlos ohne Geschwätz !! Es folgte eine witzige Erklärung über die
Rekrutierung von Nachtwächtern in Zürich. Der Job war nicht begehrt ,
gesellschaftlich nicht angesehen, aber sehr anstrengend. Deshalb übernahmen
häufig heimkehrende Reisläufer diese heikle Aufgabe. Die Fremdenlegionäre, die
nicht als Offiziere zurückkehrten, hatten keine soziale Stellung, galten aber als
trinkfest, in Schlägereien geübt und als körperlich robust, die idealen
Voraussetzungen für die Nachtwächterarbeit.
Sehr amüsant gestalteten sich die Aeusserungen über die ausserehelichen
Liebensdienste im Mittelalter. Die Liebesdienerinnen wurden Medizin für die Männer
genannt. In jeder Stadt trugen sie andere Kleider mit anderen Farben. Es war
deshalb für Frauen, die in andere Städte reisten, unerlässlich zu wissen, was in
anderen Städten Mode war. In Zürich war die Männermedizin an ihren roten Hüten
zu erkennen. Unsere “Medizin“ trug an diesem Abend vor allem Strohhüte mit einem
9
Coop-Band, die am Bahnhof gratis verteilt wurden, wie ein zugewandter Ort im Kreis
sofort bemerkte.
Eine weitere, gehaltvolle Schilderung folgte über die sog. E-Gräben, vergleichbar mit
den heutigen Abwasserleitungen. Diese schmalen Gräben zwischen zwei
Häuserfronten dienten als “Abfalleimer“ mit der Idee, dass heftige Regengüsse den
Unrat in die Limmat oder die Sihl spülen sollten. Leider funktionierte dies nicht,
sodass der damalige Stadtrat Schweine in der Stadt zirkulieren liess. Diese wurden
in kurzer Zeit so fett, dass sie sich in den engen E-Gräben nicht mehr kreuzen
konnten. So erliess der Stadtrat eine neue Bauordnung in der die Breite der EGräben
mit der Grösse eines einjährigen Schweines angegeben wurde. Da Söldner
der französischen Armee als neuste Errungenschaft den Nachttopf nach Zürich
brachten, ergab sich ein neues Problem. Am Morgen wurden jeweils die Töpfe mit
Schwung in den E-Graben geleert, sodass häufig auch die Hausfassade des
gegenüberliegenden Hauses in Mitleidenschaft gezogen wurde. So steckten viele
Zürcher buchstäblich in der Sch..... .
Viele Reminiszenzen gäbe es noch zu erzählen, aber zwei Geschichten will ich noch
hervorheben. Der erste Bürgermeister von Zürich, Rudolf Brun, wurde zusammen mit
seinem Koch vergiftet. Er starb am 17.Sept. 1360. Beide wurden im Chor der Kirche
St.Peter begraben. Anlässlich der Oeffnung des Grabes 1972 wurde gezielt nach
Spuren von Gift gesucht. Die Haar- und Knochenanalyse ergab jedoch keinen
eindeutigen Beweis. Da die Denkmalpflege die Wiederbestattung im Chor der Kirche
verweigerte, wurden Brun und sein Koch nach mehreren Anläufen schliesslich vor
dem Turmaufgang der Kirche St.Peter begraben. Die moderne Grabplatte von 1990
zeigt die Bestattungsstelle.
Zum Schluss noch die Ankedote des Süssgebäckes Muskatzinerli. Dieses soll laut
Sage ähnliche Kräfte haben wie die heutige Viagra-Tablette. Bei den Männern soll es
innert Minuten wirken, bei Frauen nach cirka zwei Tagen. Auch gegen Kopfweh soll
es sehr schnell wirksam sein.
Der Nachtwächter erzählte blumig, was nach
der Einnahme eines solchen Guetzlis alles
passieren könne, bevor er uns eine Kostprobe
aushändigte. Die Guetzli schmecken
hervorragend, ähnlich dem Weihnachtsgebäck
Gewürzplätzli. Wir liessen uns die Kostprobe
munden, verabschiedeten uns mit einem
herzlichen Dankeschön von unserem
Nachtwächter und einem Gruppenfoto von der
höchst interessanten Führung. Beim anschliessenden Restaurantbesuch und auf der
Heimreise hatte ich den Eindruck, dass die Muskatzinerli eher bei einzelnen unserer Damen ziemlich schnell gewirkt haben.......